Wildfond oder Wildbrühe?
Abfall gibt es für mich bei Rehen grundsätzlich nicht. Nur Suppenknochen.
Knochen nutzen!
Eine kräftige Wildbrühe ist für sich genommen bereits ein fantastisches Gericht. Vielleicht ein paar Spätzle dazu, Wurzelgemüse, ein bisschen Fleisch… Gleichzeitig ist eine Knochenbrühe, gekocht aus Wildfleisch und Wildknochen, auch die wichtigste Grundlage für andere Rezepte wie Wildfond, Wildjus und Wildglacé. Aber was gibt es bei der Zubereitung einer Wildbrühe zu beachten? Welche Knochen können verwendet werden, was ist mit Sehnen und stört anhängendes Fleisch? Gehören Rotwein und Gewürze wirklich mit in den Topf?
Es ist für mich seit Jahren selbstverständlich, bei jedem Tier, das ich zerlege, auch die Knochen zu verwerten und Brühe zu kochen. Mein Ansatz ist dabei minimalistisch – Reh, Wasser, sonst nix. In den meisten Rezepten kommen dabei die typischen Wildgewürze, wie Wacholder, Piment und Lorbeer zum Einsatz, dazu Rotwein und Sherry, manchmal auch Tomatenmark… Dieser Weg führt zum klassischen Wildfond, der als Saucengrundlage durchaus seine Berechtigung hat. Ich lasse diese Zutaten trotzdem weg. Gelegentlich sehe ich sogar Rezepte, in denen Salz verwendet wird, dabei ist das ein eindeutiger Fehler und keine Geschmacksfrage: Salz im Wasser hemmt genau die osmotischen Abläufe, die dafür sorgen, dass der Geschmack aus Fleisch und Knochen in das Wasser übergeht. Man stellt sich also selbst ein Bein, wenn man Salz verwendet.
Wildbrühe ohne Wein
Ich habe mich mal mit einem befreundeten Koch über Fond, Brühe und Suppe unterhalten. Er hat mir geraten, eine Knochenbrühe grundsätzlich so wenig wie möglich zu würzen. Seine Begründung dafür war, dass beim Kochen ja noch nicht klar ist, wie das „flüssige Gold“ am Ende eingesetzt werden soll: Darf es ein leichtes Salatdressing verfeinern, wäre Rotwein fehl am Platz. In einer asiatischen Suppe passt Piment nicht. Reduziert man die Brühe zu einer kräftigen Sauce, verdunstet das Wasser, die Gewürze und Aromen bleiben aber erhalten – schnell wäre die Sauce überwürzt. Weniger ist an dieser Stelle mehr.
Was gehört in die Brühe?
Seit dem Gespräch koche auch ich meine Brühe als reinen »Wildsaft«, manchmal mit etwas Gemüse, aber ohne jegliche Gewürze und ohne Wein. Der Geschmack ist präzise und eindeutig: Reh! Die Entscheidung, auf Gewürze zu verzichten fällt mir leichet, weil sie ohnehin auszugleichen ist: Möchte ich doch einmal Sherry, Weinbrand, Wacholder und Piment im fertigen Gericht haben, füge ich das eben bei der Zubereitung hinzu.
In meinem Topf landen alle Knochen, auch das Becken, die Wirbelsäule und die Rippen. Außerdem verwende ich Sehnen, egal ob die kräftige Achillessehne oder die Sehnenhäute, die z.B. beim Parieren des Rückens anfallen. Dank der Wärme löst sich das Kollagen beim Kochen, später sorgt es ggf. für eine glatte, sämige Sauce. Meine Brühe soll am Ende im Kühlschrank fest werden, das geht nur mit Sehnen. Auch Fleischreste koche ich aus, wenn sie nicht im Hack oder im Hundefutter landen.
Besonders konzentrierte Brühe
Inzwischen setze ich die fertige Brühe meistens ein zweites mal mit frischen Knochen an. Sie wird so noch dichter und intensiver, irgendwann geliert sie schon bei Zimmertemperatur. Zerwirke ich ein Reh, landet erst die erste Hälfte der Knochen eine Nacht im Topf, dann siebe ich ab und stelle die Brühe kalt. In der nächsten Nacht ist die zweite Hälfte der Knochen an der Reihe, dafür verwende ich nocheinmal die Brühe. Möglich ist das auch deshalb, weil ich mein Wild oft nicht klassisch im Ganzen abhänge, sondern in Vakuumbeuteln verpackt „nass reife„. Auf die Spitze getrieben habe ich das mit den Knochen von drei Rehböcken in vier Nächten, die am Ende zwei Liter unglaublich intensive Knochenbrühe ergeben haben.
Kann man auch aus Rotwild oder Schwarzwild Brühe kochen?
Selbstverständlich eignen sich nicht nur Rehknochen für eine Wildbrühe. Schwarzwildknochen ergeben einen sehr intensiven, würzigen Geschmack, gerade für Gulasch oder Bolognese ist mit Schwarzwildbrühe am liebsten. Sie bleibt immer ein wenig trüb, aber das stört höchstens optisch. Dam- und Rotwild können ebenfalls verwendet werden und ergeben eine klare Brühe. Hasenknochen habe ich ebenfalls schon ausgekocht – wer den besonderen Geschmack von Feldhase mag, wird die Brühe lieben. Auch für einen klassischen Hasenbraten oder ein Hasenpfeffer ist eine Hasenbrühe die beste Wahl.
Muss man Knochenbrühe klären?
Nach dem Kochen enthält eine Brühe noch Schwebstoffe: winzige Fleischfasern, Bindegewebsrestchen, ggf. Gemüsefetzen… Möchte man eine glasklare Brühe haben, muss man sie entfernen. Dafür gibt es verschiedene Methoden: Man kann Klärfleisch verwenden, also noch einmal etwas Hack aufkochen und dann absieben, oder mit Ei klären, dabei bindet das gerinnende Eiweiß die Schwebteilchen.
Ich mache das nicht. Eine abgeschäumte Brühe enthält ohnehin kaum noch Schwebstoffe, und es sind ohnehin nur kleinste Teile dessen, was ich für den Geschmack ausgekocht habe. Normalerweise koche ich meine fertige Brühe ein. Dabei fülle ich die ersten Gläser durch ein Geschirrtuch ab, das filtert einiges raus. Diese Brühe verwende ich für klare Suppen. Den Rest fülle ich ungeklärt ab, diese Gläser verwende ich für Gulasch und andere Schmorgerichte, bei denen am Ende ohnehin keine klare Sauce entsteht.
Mein Rezept für Wildbrühe
Knochen, Sehnen und Zerwirkabschnitte
eventuell:
2-3 Zwiebeln
eine Stange Lauch
eine Knolle Sellerie (wenn das Grün dabei ist, immer rein damit!)
eventuell Gemüsereste
etwas neutrales Öl
Der Geschmack steckt in den Knochen, da muss er raus: Alle Knochen knacken und mit Sehnen und Fleisch in einer Bratenform im Backofen rösten. Sie sollen braun, beinahe schwarz werden. Ich verwende nach einigen Experimenten mit Messerrücken, Beil und Säge einen kleinen Bolzenschneider. Er knackt zuverlässig, schleudert die Knochenstücke aber nicht gleich durch die ganze Küche.
Wie lange muss die Brühe kochen?
Gegebenenfalls das Gemüse mit Öl im Topf anbraten, die angerösteten Knochen dazugeben. Mit kaltem Wasser aufgießen bis alles einigermaßen bedeckt ist und aufkochen lassen. Aufgestiegenen Schaum abschöpfen und bei kleiner Hitze acht oder mehr Stunden simmern lassen. Ich kenne meinen Herd und mache das auf kleinster Stufe über Nacht. Erst am nächsten Morgen nehme ich die Knochen aus der Brühe. Anhängendes Fleisch ist so weichgekocht, dass es von selbst vom Knochen rutscht – bei mir geht das dann an den Hund. Zuletzt die Brühe noch einmal absieben, eventuell noch weiter reduzieren und erkalten lassen. Vor allem im Herbst bringen die Tiere viel Fett mit, das lässt sich nach dem Erkalten als weißer „Deckel“ abnehmen.
Zuletzt die entfettete Brühe leicht anwärmen und durch ein Küchentuch gießen. Das Tuch setzt sich dabei schnell zu und muss bewegt werden. Der Fond lässt sich jetzt einkochen oder in Eiswürfelbeuteln und -formen einfrieren, um ihn wie Brühwürfel als Geschmacksbombe verwenden zu können: in Bolognese, Salaten, Saucen…
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