»Artgerechtes« Fleisch

Eigentlich hatte ich für heute ein Rezept mit Rehrücken vorbereitet, jetzt gibt es stattdessen einen Text. Eine Petition für höhere Förderung für die Weidehaltung von Schafen geht gerade rum, und sie ärgert mich entsetzlich! Nicht weil ich etwas gegen Schafe oder Schäfer habe. Ich mag Schafe sehr und habe selbst schon wochenlang beim Lammen geholfen. Gerade wenn sie zur Beweidung in Schutzprojekten eingesetzt werden, leben Schafe beinahe wie Wildtiere, das ist großartig. Mich ärgert die Petition, weil eine Doppelmoral sichtbar wird, die auch die Jagd betrifft: Die Schäfer betteln um eine Weidetierprämie aus den Fördertöpfen der EU um überleben zu können. Ich glaube ihnen, dass sie das brauchen und dass der Verkauf von Fleisch, Wolle oder ggf. Milch ihrer Schafe und die Einnahmen aus dem Vertragsnaturschutz nicht für den Lebensunterhalt reicht.

 

 

Ich kenne das von den Preisen für Wild: Wild lebt frei und selbstbestimmt, eben so, wie die Tiere selbst es für „artgerecht“ halten. Genau das, was die bewussten Verbraucherinnen und Verbraucher möchten – sollte man meinen. In der Praxis sieht es trotzdem so aus, dass in manchen Gegenden nicht einmal mehr ein Euro pro Kilo Wildschweinfleisch bezahlt wird. Das ist tatsächlich noch weniger, als es für konventionell gehaltene Mastschweine gibt! Reh geht etwas besser, aber mehr als drei bis fünf Euro pro Kilo sind auch da nur selten für die Jägerinnen und Jäger drin.

Die Ursachen sind vielfältig und bei den Schafen wohl ähnlich: Die genannten Preise gelten für ganze Tiere mit Haut und Haaren. Kaum jemand kann oder will die noch selbst verwerten und auch Wildmetzger arbeiten lange nicht mit der Effizienz großer Schlachthöfe. Das fertig zerteilte Wild ist am Ende teurer als Supermarktfleisch. Wild und Schafe werden außerdem nicht im Supermarkt verkauft, sondern in kleinen Metzgereien, Hofläden und direkt von den Erzeugern. Nicht nur der Preis, auch der Aufwand für die Konsumenten ist höher. Wer unkompliziertund günstig Fleisch essen möchte, ist mit Supermarktware eindeutig besser bedient.
Gleichzeitig fordern aber breite Teile der Gesellschaft eine „Agrarwende“ und „artgerechte“ Tierhaltung. Laut der Umfragen im Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind viele Menschen bereit, für entsprechendes Fleisch gut zu bezahlen – und da liegen der Hase, das Wildschwein und die Schafe gemeinsam im Pfeffer: Es wird am Ende nämlich doch das günstige Fleisch aus der Kühltheke gekauft, sonst würde die große Nachfrage schon für angemessene Preise sorgen.

Schäfer und Jäger brauchen keine Lippenbekenntisse in Umfragen, keine Siegel, keine Almosen und keine Petitionen, sondern einfach Menschen, die für ein richtig gutes Produkt gutes Geld bezahlen. Beinahe 100.000 Unterschriften hat die Petition schon. Würden diese Menschen und ihre Familien das, wofür sie im Netz unterschreiben, im echten Leben auch wirklich kaufen, bräuchten die Schäfer vermutlich keine Petition mehr. Die EU-Gelder würde ich ihnen allerdings trotzdem von Herzen gönnen.