Pilze im Hinterkopf

Zu meinem persönlichen Beginn der herbstlichen Drückjagdsaison musste ich ein Stückchen fahren, eine knappe Stunde waren der Hund und ich unterwegs. Erhoffte Beute wäre mal wieder ein Wildschwein gewesen, der Vorrat geht zur Neige. Das hat nicht geklappt.

Fichtenreizker als Neulinge

Dafür habe ich direkt neben meinem kleinen Hochsitz Pilze entdeckt: Fichtenreizker! Ich versuche jedes Jahr eine oder zwei neue Speisepilze zu lernen: Standort, Erscheinungsbild, Merkmale, Doppelgänger… Wenn ich mit ganz sicher bin, dürfen sie zum Essen mitkommen.
Die Reizker hatte ich schon ewig im Auge, aber noch nie gefunden. Es gibt verschiedene, untereinander recht ähnliche, Arten: Edelreizker, Lachsreizker und eben den Fichtenreizker, sie lassen sich auch an den vorhandenen Bäumen am Fundort unterscheiden. Alle scheinen bei uns nicht zu wachsen.

Regional heisst machmal auch: selten

In anderen Gegenden sind Reizker aber häufig, sie werden gerne gesammelt und sollen hervorragend schmecken. Schon während der Jagd hatte ich die Pilze unter dem Sitz im Verdacht, Reizker zu sein, vermutlich Fichtenreizker wegen der Bäume in der Nähe. ich kannte sie aus Büchern. Das geht mir oft so: Irgendwo im Hinterkopf ist eine längere Liste mit Pilzen, die ich gerne mal finden würde. Nicht alle Merkmale habe ich parat, aber ich erkenne sie immerhin so weit, dass ich verdächtige Exemplare benennen, mitnehmen und zu Hause nachschlagen kann.

Rote Milch statt wilder Sau

Die Reizker standen auf diese Liste recht weit oben. Sobald ich meinen Sitz verlassen durfte habe ich als erstes nachgesehen. Alle essbaren Reizker geben rote „Milch“ ab, wenn man sie anschneidet, das ist ein relativ eindeutiges und leicht zu merkendes Merkmal.

Fichtenreizker zubereiten

Zuhause habe ich noch einmal gründlich nachgelesen, dann wurde es ernst. In dünne Scheiben geschnitten bei schwacher bis mittlerer Hitze habe ich die Reizker von beiden Seiten einige Minuten in reichlich Butter gebraten – für mich die optimale Methode, den Geschmack frischer Pilze einzufangen. Das milde Fett hält die Aromen ohne sie mit eigenem Geschmack zu überlagern, ich bereite auch Steinpilze gerne so zu. Die Fichtenreizker haben die Butter orange eingefärbt.

Nur mit feinem Salz und frisch gemörsertem Pfeffer gewürzt dann der Fichtenreizker-Geschmackstest: Fantastisch! Das feste Fleisch schmeckt intensiv und erdig, gleichzeitig herb und ein wenig süß. Spontan hat der pilz mich am ehesten an gebratene Topinamburknollen erinnert. Gerne wieder, aber beim nächsten Mal würde ich sie wohl noch etwas stärker bräunen. Kräftige Röstaromen scheinen hervorragend zu passen.

Pilz oder Schwein?

Dass die Wildschweine an diesem Tag schlauer waren, ist mir jetzt völlig egal. Der Hund hat gut gejagt und ist glücklich und ausgelastet, ich habe unverhofft Beute gemacht – was soll ich mehr wollen? Beim Auto standen sogar noch einige Steinpilze. Und wahrscheinlich war es einfach meine Schuld und die Schweine sind durchgeschlüpft, während ich die Pilze schon vom Hochsitz aus im Visier hatte…