Der gelbstielige Muschelseitling
In den letzten Wochen habe ich mich mehr mit Pilzen als mit der Jagd beschäftigt. Zum Essen gesammelt habe ich dabei hauptsächlich Allerweltspilze wie Maronen, einige Steinpilze, Hexenröhrlinge oder Schopftintlinge, außerdem konnte ich mein Sammelrepertoire um Fichten- und Edelreizker erweitern.
Der »gelbstielige Muschelseitling«
Auf einer ansonsten für mich erfolglosen Drückjagd, konnte ich jetzt einen ganz besonders spannenden Pilz erbeuten: den gelbstieligen Muschelseitling! Er ist nicht leicht zu finden, aber kaum zu verwechseln. Der Pilz besiedelt sterbendes oder abgestorbene Baumstämme, oft Buchen oder anderes weiches Laubholz. Die Fruchtkörper wachsen im Spätherbst seitlich aus stehenden oder liegenden Ästen und Stämmen. Der feste, gelbe Fuß mit dem er am Holz hängt, gibt ihm seinen Namen und macht ihn beinahe unverwechselbar. Er ist weitläufig mit dem häufig einfach als „Austernpilz“ angebotenen Austernseitling verwandt. Entsprechend könnte er auch essbar sein – oder nicht?
Giftig oder Essbar?
Tatsächlich stößt man in der Pilzwelt jenseits der bekannten Allerwelts-Speisepilze schnell auf die Grenzen des Wissens: In einem Buch gilt eine Art als essbar, im nächsten ist sie ungenießbar, im dritten ist die Art vielleicht sogar giftig und im vierten überhaupt nicht nicht aufgeführt… Zum Teil liegt das daran, dass bei manchen Arten irgendwann neue Erkenntnisse vorliegen, die eine Neubewertung erforderlich machen. Alte Bücher empfehlen sie dann noch als essbar, neuere Auflagen warnen dann z.B. vor krebserregenden Stoffen oder anderen Langezeitschäden, manchmal ist es auch umgekehrt.
Grenzfall »Gelbstieliger Muschelseitling«
Der gelbstielige Muschelseitling ist ein solcher Grenzfall. An sich wohl essbar, oft aber als bitter oder muffig verschmäht, und laut einigen Quellen eben sogar giftig. Nicht unmittelbar unbekömmlich oder krank machend, sondern angeblich besonders heimtückisch: das Gift soll sich zunächst im Fettgewebe anreichern, erst bei einer Gewichtsabnahme gelangt es dann in den Organismus und schädigt ihn.
Mich reizt es, bei Pilzen wie dem gelbstieligen Muschelseitling eigene Erfahrungen zu sammeln. Schmeckt er wirklich nicht, oder fand ihn nur der Verfasser des Pilzbuches nicht so lecker? Ich finde es unglaublich, dass es direkt vor unserer Haustür solche, noch nur unzureichend erforschten, Arten geben kann. Trotzdem möchte ich mich nicht vergiften, Reiz und Interesse hin- oder her: im Zweifel bleibt der Pilz im Wald! Letzten Endes hatte mich aber schon letztes Jahr dieser Artikel aus der Zeitschrift „der Tintling“ überzeugt, dass es gefahrlos möglich wäre, den gelbstieligen Muschelseitling selbst zu probieren – wenn ich denn mal wieder welche entdecken kann.
Erster Geschmackstest
Die Muschelseitlinge von der Drückjagd habe ich deshalb natürlich mitgenommen. Für ein unverfälschtes Geschmackserlebnis habe ich zunächst zwei kleinere Fruchtkörper bei geringer Hitze für etwa 20 Minuten in etwas Butter gebraten. Lecker waren sie, und mit etwas Salz sogar sehr lecker! Das Fleisch des Muschelseitlings ist fest und wird auch in der Pfanne nicht schleimig. Es schmeckt mild nach Pilz und tatsächlich ein wenig bitter, aber überhaupt nicht unangenehm und kein bisschen „muffig“.
Zubereitung »gelbstieliger Muschelseitling«
Ein richtiges Rezept habe ich nicht, aber mit diesem ersten Ergebnis im Hinterkopf habe ich dann den größten und schönsten meiner Seitlinge folgendermaßen zubereitet: den Stiel habe ich entfernt, den Fruchtkörper in einem verrührtem Ei gewendet und anschließend in Walnuss-Splittern gewälzt. Dann habe ich auch diesen Pilz in Butter gebraten, langam und bei geringer Hitze, damit weder Pilz noch Fett verbrennen, und die Zeit genutzt, um mein letztes Glas Gelee von der spätblühenden Traubenkirsche zu suchen: die Früchte dieser Art schmecken ebenfalls ein wenig herb, gleichzeitig aber fruchtig und durch den zugesetzen Zucker im Gelee auch ordentlich süß – ein optimaler Partner für den Pilz! Abgeschmeckt habe ich das Ganze nur mit einer Prise Salz.
Wer selbst mal nach Muschelseitlingen suchen möchte, macht das zum einen ausdrücklich auf eigene Gefahr, und findet hier viele Details zu dem Pilz.