Die rote Arbeit

Vom Lebewesen zum Lebensmittel: Der erste und wichtigste Schritt auf diesem Weg ist der Schuss. Ein guter Treffer ist entscheidend um eine optimale Fleischqualität zu erhalten. Unmittelbar danach folgt das „Aufbrechen“. Ich schneide das erlegte Tier auf und entnehme alle inneren Organe von der Zunge bis zum After.

Ich nehme bei dieser Arbeit einen gewissen Aufwand auf mich und glaube, dass er sich bei der Fleischqualität bezahlt macht. Die Sorgfalt, mit der ich arbeiten möchte, braucht ihre Zeit – fünfzehn Minuten oder mehr kann es schon mal dauern, bis ich mit einem Reh zufrieden bin.

Neben anatomischem Wissen hilft es mir, das entsprechende Werkzeug für die „rote Arbeit“ dabei zu haben: Gummihandschuhe, genügend um sie hin und wieder zu wechseln. Scharfe Messer, die ich nach schmutzigen Arbeitsschritten tauschen kann. Eine Astschere, um die Rippenbögen zu durchtrennen und durch den Schuss zerstörtes Gewebe sofort zu entfernen. Trinkwasser, um den Wildkörper wenn nötig zu säubern und um mir die Hände zu waschen. Dazu Fleischerhaken, Beutel für verwertbare Innereien, Küchenrolle oder ein frisches Handtuch… Während ich auf dem Hochsitz lauere, wartet ein fertig gepacktes Aufbrech-Kistchen im Auto auf seinen Einsatz.

„Respekt“ ist ein großes Wort, es wird in jagdlichen Zusammenhängen häufig bemüht. Ich versuche, den Begriff zu vermeiden. Für mich passt er nicht zu dem Verhältnis, das ich zu einem von mir getöteten Tier habe. Das ist aber eine andere Geschichte, die ich in meinem Buch „Ich esse, also jage ich“ ausführlicher erkläre, und an dieser Stelle ist es vielleicht sogar einmal das richtige Wort. Das erlegte Wild so sauber wie möglich zu verarbeiten, ist tatsächlich eine Art Respektsbekundung: Vor dem genommenen Leben, vor dem entstehenden Lebensmittel, vor zukünftigen Gästen, denen ein Wildgericht schmecken soll oder auch nur vor dem eigenen Magen, der das Fleisch irgendwann mal verdauen muss.