Die Sache mit der Jagdtrophäe

Diesen Text hatte ich ursprünglich zum Ende der Jagdzeit der bayerischen Rehböcke im Oktober geschrieben. Mittlerweile habe ich ihn aber mehrfach überarbeitet und erweitert, zuletzt zum Beginn der Bockjahr im Frühjahr – die »Sache mit der Jagdtrophäe« ist unabhängig der Jahreszeit eine der grundlegenden Fragen zur Jagd und ihrer Rolle in der Kulturlandschaft.

Schonzeit für Rehböcke

Ich jage in Bayern. Hier ist ab dem 15. Oktober die Jagdzeit auf Rehböcke zu Ende. Ein Bock, der dann noch lebt, hat es geschafft: in den Wochen danach ist der versehentliche Abschuss eine Ordnungswidrigkeit. Bis zum nächsten Mai hat das Tier nichts zu befürchten, erst ab dem »Tag der Arbeit« wird wieder auf Böcke gejagt. Auch in Bundesländern, die die Jagd auf Rehböcke bis Ende Januar erlauben, beenden viele Jägerinnen und Jäger die Bockjagd aus Überzeugung und Tradition Mitte Oktober. Der Grund ist schlicht, dass Rehböcke nur über den Sommer ein Gehörn tragen, im Winter sind sie oben ohne. Für viele Jägerinnen und Jäger scheint das sehr wichtig zu sein.

Wer einen Rehrücken als Weihnachtsbraten eingeplant hat, muss sich dennoch keine Sorgen machen: Die fast erwachsenen Kitze und die weiblichen Rehe dürfen noch bis ins neue Jahr hinein erlegt werden. Während die Böcke ihre Ruhe haben, geht es dem weiblichen Wild im Herbst und Winter verstärkt an den Kragen, auch auf den bevorstehenden Drückjagden. Dieser Unterschied hängt natürlich mit dem knöchernen Kopfschmuck der Rehböcke zusammen.

Warum wird gejagt?

Wenn ich versuche, zu erklären, warum mir die den Trophäen beigemessene Bedeutung erheblich zu groß erscheint, ist es wichtig, sich zunächst in Erinnerung zu rufen, warum überhaupt gejagt werden darf: Ziel ist laut Bundesjagdgesetz »die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes [… und] daß Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden«. Leben in einem Gebiet zu viel Reh-, Rot und Damwild, verschwinden manche Baumarten aus der »Verjüngung« des Waldes. Andere wachsen nur verzögert und krumm auf. Ein hoher Wildschweinbestand macht der Landwirtschaft zu schaffen, weil die Tiere sich auf den Feldern bedienen. Das zu verhindern, ist das Kerngeschäft der Jagd, oder sollte es sein.
Es bedarf außerdem eines vernünftigen Grundes, ein Tier zu töten. Fleisch essen zu wollen ist ein solcher Grund. Der Wunsch, Dekoration aus Geweihen herzustellen, ist es meiner Meinung nach nicht.

Die Jagdzeit orientiert sich am Gehörn

Dass die Jagdzeit der Böcke so grundverschieden von der der Weibchen ist, liegt daran, dass Rehböcke zeitweise ein Gehörn auf der Stirn tragen. In der Regel ist der Kopfschmuck Ende April voll entwickelt. Im Zeitraum ab Ende September bis Weihnachten wird er wieder »abgeworfen«, die beiden Kopfknochen fallen vom Schädel. Spätestens zu Weihnachten sind alle Böcke »kahl«, und über den Winter werden dann neue Gehörne gebildet. Es ist kein Zufall, dass die Jagdzeit vom 1.5. bis zum 15.10. jeden Jahres genau der Zeit entspricht, in der Rehböcke »Hörner« haben. Die weiblichen Rehe setzen im Mai ihren Nachwuchs und müssen ihn anschließend versorgen, aus Rücksicht darauf kann man sie im Frühjahr und Sommer nicht bejagen. Auch die Jagd auf die Kitze selbst ist nicht erlaubt, bis sie im September immerhin 8-10 Kilo auf die Waage bringen. Es scheint mir sinnvoll, dann einfach alle Reheausschließlich im Herbst und Winter »freizugeben«, allerdings stehen dem eben entgegen, dass es dann keine Gehörne mehr gäbe. Die »Trophäe« spielt für machen Jägerinnen und Jäger eine wichtige Rolle – so wichtig, dass sie die Jagd- und Schonzeit vorgibt.

Hegeschau oder »Knochenolympiade«?

Ich jage wie gesagt in Bayern. Hier sind wir Jägerinnen und Jägerinnen sogar verpflichtet, die Schädel aller erlegten Rehböcke abzutrennen, zu reinigen, zu kochen, sauber zu kratzen, chemisch zu bleichen und einmal jährlich auf der „Pflichthegeschau“ öffentlich ausstellen zu lassen. Mich stört beides: die unterschiedlichen Jagdzeiten für männliches und weibliches Rehwild, und die Pflicht, die Gehörne zu präparieren.

Trophäen als Erinnerungstück

Meine Meinung möchte ich kurz erläutern. Zunächst: Mir bedeuten die Trophäen wenig. Ich präpariere sie normalerweise nicht und ich möchte sie auch nicht an meine Wände hängen. Manche Gehörnstangen verwende ich zum Basteln, manche verschenke ich. Und manche nutze ich genau so wenig wie andere den Schädel eines weiblichen Rehs.

Mir ist bewusst, dass die Trophäe für einige Jägerinnen und Jäger einen anderen Stellenwert hat. Als Erinnerungsstück soll sie den Jagdtag und damit gewissermaßen auch das erlegte Tier bewahren. Das „Gewicht’l“ über dem Kamin steht stellvertretend für eine Entscheidung, für ein Erlebnis und es soll auch die Einzigartigkeit der Beute festhalten.

Mir erschließt sich das nicht. Ich habe jagdliche Erinnerungen an weibliches Wild, das natürlicherweise nie ein Gehörn haben konnte. Ich erinnere mich an Wild, das ich beobachtet habe ohne es anschließend zu erlegen. Ich habe außerhalb der Jagd viele lebendige Erinnerungen, ganz ohne ein greifbares Objekt dazu. Ich bin überzeugt, dass ein Wildtier für mich nicht an Wert verliert, wenn ich keine Trophäe aufbewahre, und es erleichtert mir auch nicht die Entscheidung, ein Leben zu nehmen.

Auch wenn ich sie nicht verstehe, respektiere ich diese Einstellung. Ich möchte niemandem etwas wegnehmen und mache mich hier nicht über Dinge lustig, die anderen vielleicht viel bedeuten. Wer möchte, kann sich selbstverständlich gerne Patronenhülsen, gegerbte Decken, Schädelpräparate, Fotos, Zähne, Haarbüschel, Federn… oder ähnliches aufheben. Eine einzige solche Jagdtrophäe habe ich auch: den Schädel meines ersten Schmalrehs.

Meine Jagdtrophäe

Das präparierte Reh war nicht das erste Tier, das ich erlegt habe. Das war damals ein uraltes Damtier gewesen, die Geschichte habe ich in „Ich esse, also jage ich“ aufgeschrieben. Ein Erinnerungsstück habe ich von ihm nicht behalten. Auch drei Rehböcke hatte ich vor diesem Schmalreh bereits erlegt. Ihre Gehörne besitze ich nicht mehr, und ich vermisse sie nicht. Den Schmalrehschädel habe ich aber schon mehrfach bei Umzügen ein- und ausgepackt, und ich habe nicht vor, ihn wegzugeben. Er begleitet mich. Warum?

Das Schmalreh war das erste Tier, bei dem ich von der Erlegung bis zur Verarbeitung alle Arbeitsschritte selbst durchgeführt habe. Zuvor hatte ich immer bei Bekannten gejagt, war bei der Jagd angeleitet oder wenigstes zu einem für mich ausgesuchten Sitz geschickt worden, und ich hatte Hilfe beim Aufbrechen oder Zerwirken. Bei diesem Schmalreh war es anders.

Ich hatte damals meinen ersten eigenen, kleinen Pirschbezirk in Brandenburg bekommen. Es gab eine kurze Einweisung in das Gebiet und die geltenden Regeln, dazu eine Karte mit Wegen und eingezeichneten Hochsitzen. Kreuzchen für Kreuzchen bin ich die Fläche abgelaufen, hatte mir die Sitze angesehen, störende Äste im Schussfeld entfernt, geeignete Windrichtungen und Anmarschwege notiert und auf den Mai gewartet. Ich hatte nicht gleich am ersten Mai »Jagdglück«, aber es war aufregend, jeden Tag aufs Neue selbst überlegen zu dürfen, wo ein geeigneter Platz für einen Ansitz sein könnte. Mehrfach hatte ich den Wind falsch eingeschätzt und saß umsonst, aber am vierten Mai stellte sich endlich den erste kleine Erfolg ein: Am Hochsitz angekommen, zogen meine in die beginnende Dämmerung gepusteten Seifenblasen dieses Mal in die erhoffte Richtung. Ein Tier, das auf die Schneise vor mir treten würde, könnte mich immerhin nicht riechen.

Eine halbe Stunde später bewegte sich dann auch tatsächlich etwas in den Büschen. Ein rotbraunes Reh kam zum Vorschein. Wieder etwas richtig gemacht: Ausreichend stillgesessen, scharf genug beobachtet, beim ersten Anzeichen von Bewegung nicht sofort hektisch reagiert – und das alles alleine.

Ebenfalls allein habe ich dann das Reh mit dem Fernglas beobachtet und irgendwann entscheiden, dass ich mir sicher bin, dass es sich um ein Schmalreh handelt. Kein dicker Bauch, wie bei einer Anfang Mai hochträchtigen Ricke, dazu ein kurzes, beinahe rundliches Gesicht, insgesamt eine „schmale“ Statur… Ein einjähriges Weibchen, ganz sicher. Ein Reh, das noch keinen Nachwuchs zu versorgen hat. Das darf man im Mai erlegen. Nach kurzem Zögern entschied ich mich, genau das zu tun. Niemand hat mich beruhigt, als ich angelegt habe. Niemand ein zweites Gewehr ausgerichtet, um einen schlechten Treffer notfalls vielleicht „korrigieren“ zu können.

Bumm.

Ich habe das Reh erlegt. Anschließend habe ich zum ersten Mal ohne Hilfe aufgebrochen, also ein Tier ausgenommen. Niemand, der erklärt, wo ich schneiden soll, niemand der Tipps gibt, nicht einmal jemand, der mir die Taschenlampe hält, damit ich genug Licht für die „rote Arbeit“ habe. In der Wildkammer gab es auch keine große Aufregung, als ich mein Reh alleine dort hingebracht habe. Haken dran, Wildmarke dran, bisschen Papierkram und ab ins Kühle. Ein paar Tage später habe ich das Reh abgezogen, zerteilt und zugeschnitten – auch das ganz ohne Hilfe.

An sich ist das kein besonders spektakuläre Jagderlebnis. Rausgehen, sitzen, Reh sehen, schießen, versorgen – so läuft das eben. Trotzdem war es für mich ein großer Moment, als dann das erste Steak auf dem Teller lag: Endlich konnte ich mich als »richtiger« Jäger fühlen. Ich habe allein eine geeignete Stelle und die richtige Zeit ausgewählt, mich alleine für den Schuss entschieden und meine Beute alleine verarbeitet. Das war seit zwei Jahren mein Ziel gewesen. Das hatte ich vor Augen, als ich mich für den Jagdkurs angemeldet habe. Damals schien mir das Alles so bedeutsam, dass ich eine physische Erinnerung zurückbehalten wollte. Ich entschied mich, den Schädel des Schmalrehs zu präparieren.

Pflicht zur Erinnerung?

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich kann den Wunsch nach einem Erinnerungsstück verstehen. Zwar ist dieses Präparat für mich eine bisher einmalige Ausnahme gewesen, aber wenn andere da großzügiger sein möchten – warum nicht? Und wenn sich Leute treffen möchten, um ihre gesammelten Rehbock-Schädel zu vergleichen? Naja, in meinen Ohren klingt das vielleicht ein bisschen makaber, aber meinetwegen sollen sie doch. Die Tiere sind tot, es wird sie wohl nicht mehr stören.
Die Jagdzeit an der Beschaffung solcher Erinnerungsstücke auszurichten, halte ich aber für unsinnig, und diese Gedanken möchte ich mir auch nicht aus Rücksichtnahme auf Tradition verbieten. Eine Pflicht Rehböcke zu präparieren und vorzuzeigen, lehne ich ebenfalls entschieden ab. Ich kann meine Zeit erfüllender verbringen, als Schädelknochen sauber zu puhlen und in Waschmittel zu kochen.

Wildbiologische Aussagekraft der Hegeschau

Ich glaube auch nicht, dass die Hegeschau in wildbiologischer Hinsicht Aussagekraft besitzt. Häufig wird genau das behauptet und offiziell dient diese These auch als Begründung für die Pflichtschauen – halten lässt sie sich in meinen Augen nicht!

Argumentiert wird, dass die gesammelten Gehörne Aufschluss darüber geben, wie es um die Rehe im jeweiligen Revier bestellt ist. Große Gehörne deuten auf gesundes Wild hin, verkümmerte Geweihstängchen zeigen, dass etwas nicht stimmt. Das ist nicht ganz falsch: Geweihe sind Überschussprodukte. Ein Rehbock muss im nahrungsarmen Winter zunächst einfach überleben. Nur wenn er genug Kraft hat, kann er sie auch in das Wachstum seines Kopfschmucks stecken. Ein erkranktes oder verletztes Tier wird keine »kapitale Trophäe« entwickeln, auch wenn es im Vorjahr vielleicht noch anders aussah. Füttert man einen Rehbock großzügig, rechtzeitig und artgerecht, wird er die zugeführte Energie im Spätwinter auch in Geweihwachstum umsetzen. Diese Zusammenhänge sind bekannt, sie lassen sich z.B. bei Ferdinand von Raesfeld (»Das Rehwild«) und Albrecht von Bayern (»Über Rehe in einem steirischen Gebirgsrevier«) nachlesen.

Über die Verfassung eines einzelnen Rehbocks kann man anhand seines Geweihs also durchaus eine Aussage treffen, vor allem dann, wenn man ihn über mehrere Jahre beobachtet, z.B. in einem Gatter oder wenn er durch eine Ohrmarke sicher zu identifizieren ist. Ich denke aber nicht, dass das auf ganze Rehpopulationen und einzelne Reviere übertragen lässt: Zum einen bieten die abgelieferten Trophäen keine zufällige Stichprobe der im Revier vorhandenen Rehe. Sie zeigen ohnehin nur die männliche Seite des Wildbestands, und sie liefern ein durch die jeweiligen Jägerinnen und Jäger verzerrtes Bild. Jagt jemand bevorzugt auf schwache einjährige Böcke, werden sie auch unproportional häufig erlegt werden. Konzentriert jemand sich auf Böcke mit möglichst großem Gehörn, werden eben viele von diesen an der Wand hängen. Was sagt das über das Revier und die vorhandenen Rehe aus?
Zum anderen ist es nicht nur auf der Jagd so, dass Fehler eher verheimlicht als präsentiert werden.  Es ist naiv zu glauben, dass wirklich alle erlegten Böcke gezeigt werden. Es wird selbstverständlich »vorsortiert«. Wer einen besonders kräftigen jungen Bock erlegt, wird ihn zu Pflichtschau wohl lieber zu Hause lassen, weil absehbar ist, dass andere sich daran stören. Wer auf die Anerkennung der anderen Jägerinnen und Jäger aus ist, zeigt dann stattdessen lieber einen alten, »kapitalen« Bock – vielleicht sogar einfach den noch einmal, der im vorletzten Jahr so gut ankam?

Es stellt sich auch grundlegend die Frage, warum man sich überhaupt anmaßen möchte, zu versuchen, züchterisch einzugreifen. Größe und Ausformung des Geweihs werden nicht nur durch Gesundheitszustand und Ernährung beeinflusst, sondern auch durch die Genetik des jeweiligen Tieres. Es gibt klare Vorstellungen vom »idealen« Geweih und Jägerinnen und Jäger haben buchstäblich Bewertungskataloge für diese Dinge entwickelt. »Zu schonen sind Böcke mit einer bezogen auf Wuchsgebiet und Altersklasse überdurchschnittlichen Körper- und Geweihentwicklung. Als überdurchschnittliche Geweihentwicklung zählen Stärke der Stangen, Vereckung, Perlen, Rosen (Hegeziel)«.
Jenseits offensichtlicher praktischer Fragen (Zucht ohne gezielte Verpaarung, Erkennen der Merkmale auf die Distanz, …) ist mir unerklärlich, warum man eine Art, die seit Jahrtausenden gut zurechtkommt und sich den jeweiligen Lebensumständen offenbar immer erfolgreich angepasst hat, nach menschengemachten, rein ästhetischen (!) Merkmalen beurteilen und bejagen soll.

Wann auf Rehe jagen?

Die Ausrichtung der Jagdzeiten am Gehörn lehne ich grundsätzlich ab. Es ist aus meiner Sicht sinnvoller, im Herbst und Winter gleichzeitig auf männliches und weibliches Wild zu jagen. Wenn gejagt wird, gilt es Chancen zu nutzen und effizient zu handeln. Ein Rehbock weiß nicht, dass er sich ab dem 16.10. fürs erste entspannen kann. Er fühlt sich durch pirschende Menschen im Halbdunkeln bedroht und er verbraucht seinen Winterspeck, wenn er auf der Drückjagd durch den Wald gescheucht wird. Für den betroffenen Bock selbst, ist es im Herbst genauso unangenehm erlegt zu werden wie im Sommer. Verantwortung für Jungtiere trägt er nie. Es spricht nichts dagegen, einen Bock auch im Winter zu erlegen, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. In den meisten Bundesländern wurde die Jagdzeit für Rehböcke deshalb inzwischen verlängert, auch auf Drückjagden werden die Böcke häufig für die Erlegung freigegeben. Aus meiner Sicht ist das ein sinnvoller Schritt – dem ein weiterer folgen sollte: Die Jagdzeit der Böcke beginnt dann immer noch erheblich früher als die des weiblichen Wilds. Mir denke seit Jahren darüber nach, ob man das nicht ebenfalls ändern könnte – und auf die Frühjahrsjagd beim Rehwild ganz verzichtet.

Ohrenbetäubende Stille. »Was für ein hirnrissiger Vorschlag!«. »Was ist mit dem Maibock, mit dem Ansitz im Vogelkonzert eines erwachenden Frühlingstages, mit dem Jägerfrühstück am ersten Mai, mit den ganzen liebgewonnenen Gewohnheiten?«. »Was mit der aufregenden Blattzeit?«. »Was überhaupt mit Rehen in den Feldrevieren, die einen großen Teil ,ihres‘ Bestands nur in der Vegetationszeit vor Ort haben, und ihn mit der Ernte an die umliegenden Waldgebiete verlieren?«

Populär ist dieser Vorschlag sicher nicht, aber die Vorteile liegen auf der Hand: Keine Jagd in der sensiblen Brut- und Setzzeit, keine Störung zur Paarung im Juli und August. Stattdessen eine straffe, konzentrierte Bejagung im Herbst. In anderen Ländern sind solche Jagdzeiten üblich, so ausgedehnt wie im deutschsprachigen Raum sind sie dort selten. Eventuell würde die Jahresstrecke bei den Böcken mit kürzeren Jagzeiten unterm Strich etwas geringer ausfallen – na und? Die Wildbiologie ist sich einig, dass es für die Bestandsregulierung entscheidend ist, ausreichend weibliches Wild zu „entnehmen“. Das passiert auch jetzt schon fast ausschließlich im Herbst und Winter. Es kommt schlicht nicht darauf an, im Mai oder überhaupt einen Bock mehr oder weniger zu erlegen.  

Alternativen zum Präparat

Doch selbst dann, wenn man meinen Argumenten nicht folgen möchte und Trophäen, die Pflichtschau, die Hörner und den Vergleich an sich wichtig findet: Zu präparieren ist unnötig. Geht es wirklich darum, die erlegten Böcke zu vergleichen, wäre ein kurzes Handyvideo deutlich präziser und mit erheblich weniger Aufwand zu erstellen. Ein langsamer Schwenk ums Haupt aus nächster Nähe, dann ein paar Schritte zurück und eine Aufnahme des ganzen Wildkörpers, dazu vielleicht noch einige Worte zu eventuellen Besonderheiten – und fertig. Das Filmchen landet mit Angaben zu Revier und Datum auf einem öffentlich zugänglichen Server und wer möchte, sieht es sich an.

Ich habe was Jagdgesetze und Jagdzeiten angeht nicht viel zu melden, und darüber werden manche jetzt ein bisschen erleichtert sein. Wenn es aber nach mir ginge, würde die Jagdzeit für Rehböcke heute vielleicht nicht zu Ende gehen. Im Gegenteil, sie würde wahrscheinlich jetzt erst beginnen. Alle Rehe frei ab September, wo geboten natürlich unter Berücksichtigung des Muttertierschutzes, und zum Jahreswechsel dann wieder Ruhe. Und das leidige Thema mit der Pflicht zum aufwändigen Präparieren, das hätte sich bei gehörnlosen Herbstböcken dann auch gleich erledigt…

Die Arbeit an diesem Text wurde gefördert durch das Stipendienprogramm »Neustart Kultur«, vielen Dank an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Verwertungsgesellschaft Wort.