Der angemessene Preis für Wildfleisch?

28.900 Tonnen Wildfleisch haben wir Jägerinnen und Jäger im Jagdjahr 2020/21 erbeutet. Den größten Anteil macht das Fleisch von Wildschweinen aus. Sie vermehren sich stark, werden häufig erlegt und bringen ordentlich Gewicht auf die Waage.

Vorzüge von Wildfleisch

Wunderbares Fleisch, egal ob Wildschwein, Reh, oder Dam- und Rotwild: Es stammt von in Freiheit lebenden Tieren, die sich ihre Nahrung aussuchen können, und die Möglichkeit haben, das arteigenen Sozialverhalten auszuleben. Ein Leben mit viel Bewegung und ohne medikamentöse Behandlung. Das schmeckt man: Die Tiere wachsen langsam und das Fleisch hat die nötige Zeit, um Geschmack zu entwickeln.

Wildfleisch-Statistik

An dieser Stelle soll es aber um Zahlen gehen, nicht um Aromen. Rechnet man die 28.000 Tonnen auf die Einwohnerzahlen um, entfallen auf 83 Millionen Menschen in Deutschland jeweils 340 Gramm Wildfleisch im Jahr. Das entspricht z.B. einer großen Portion Gulasch oder drei Wildbratwürstchen.

Spannender ist aber eine andere Relation. Für die gut 400.000 Jäger­innen und Jäger bleiben umgerechnet jeweils nur 72 kg Wildfleisch im Jahr. Durchschnittlich isst jeder Mensch in Deutschland jährlich knapp 60 kg Fleisch. Da Jägerinnen und Jäger selten Kleinkinder sind, noch seltener vegan leben und überwiegend männlich sind, scheint es plausibel, davon auszugehen, dass sie eher über diesem Durchschnittsverbrauch liegen. Die Jägerinnen und Jäger können von Ihrer Beute also gerade mal sich selbst gut ernähren.

Wildfleisch im Alltag?

Den Durchschnittsverbrauch von 60 kg/Jahr selbst essen und vielleicht hin und wieder jemanden einzuladen wäre auch möglich. Schon eine nichtjagende Familie geht aber weitestgehend leer aus. Ein etwas alltagstauglicheres Beispiel könnte der Sonntagsbratensein: Isst  eine vierköpfige Jägerfamilie jeden Sonntag vier Portionen Wild à 250 Gramm, wäre mit 52 kg Wild der größte Teil der Beute bereits verbraucht. Dazu ein Weihnachtsessen mit der Großfamilie, ein Grillfest im Sommer und ein Rehrücken für die Nachbarn – und die 72 Kilo sind weg.

Wildfleisch im Handel?

Natürlich sind die Erlegungen nicht gleichmäßig auf die 400.000 Jagenden verteilt. Im dünn besiedelten Nordosten Deutschlands wird überproportional viel Wild erlegt, man kann täglich zur Jagd gehen oder nur wenige Male im Jahr, und man kann auch mal eine Weile aussetzen. Wie viele der 400.000 tatsächlich zur Jagd gehen, ist eine spannende Frage, letzten Endes aber keine Erklärung für den schwachen Wildkonsum. Man muss Wild nicht selbst erlegt haben, um es essen zu können. Es gibt 400.000 Menschen, die die Vorzüge von Wildfleisch kennen (sollten) und die auch wissen sollten, wo man es bekommt, wenn es bei einem selbst jagdlich mal nicht so rund läuft.

In Fachzeitschriften, jagdlichen Internetrunden und im echten Leben wird trotzdem ständig diskutiert: Warum sind die Preise für Wildfleisch so niedrig? Ganze Wildschweine werden teilweise für weniger als 1 €/kg verkauft. Für ganze Rehe bekommt man selten mehr als 5 €/kg. Warum ist das so? Wieso ist das Angebot zu groß, wenn Jägerinnen und Jäger ihre Beute doch eigentlich locker selbst verbrauchen könnten? Warum gibt es einen Wildhandel, warum landet überhaupt Wildfleisch auf dem freien Markt und »versickert« nicht innerhalb der Jägerschaft?

Ich kann es mir nicht erklären, glaube aber, dass hier ein wichtiger Schlüssel für die häufig beklagten Absatzprobleme liegt: Zum einen drückt ein großes Angebot natürlich den Preis. Zum anderen (und das mag aus Sicht der Jägerschaft eine unangenehme Wahrheit sein) fällt es schwer, kompetent über die Verarbeitung zu sprechen – und noch schwerer, glaubwürdig die Vorzüge anzupreisen, wenn die Jägerinnen und Jäger ihr eigenes Produkt selbst nicht regelmäßig konsumieren.

Wildfleisch kaufen

Wer selbst nicht zur Jagd geht, aber Wert auf gutes Fleisch legt, kann diese eigenartige Situation allerdings nutzen. Auch küchenfertig zerlegt ist Wild in der Regel deutlich preiswerter zu haben als Fleisch mit Brief und Siegel aus dem Bioladen. Wagt man sich sogar selbst an die Verarbeitung und kauft ein ganzes Tier mit Haut und Haaren, wird es unschlagbar günstig für unschlagbar gutes Fleisch – meine Schnitt-für-Schnitt-Anleitung »Rehwild – vom Lebewesen zum Lebensmittel« kann da übrigens helfen. Rezepte gibt es hier in der Sammlung und Anbieter vor Ort finden über die Postleitzahlsuche auf Wild-auf-Wild.de.

Quellen

Ich beziehe mich bei den Zahlen auf diese beiden Pressemeldungen:
Deutscher Jagdverband – Wildbret Statistik
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – Fleischverzehr