Keine Angst vor dem Fuchsbandwurm

Wenn etwas im Wald wächst, stecke ich es in meinem Mund. Ausnahmen mache ich für erwiesenermaßen giftige Pflanzen, Früchte und Pilze und Dinge, bei denen ich schon weiß, dass sie mir nicht schmecken. Vieles ist aber nicht nur ungiftig, sondern schmeckt auch hervorragend. Blaubeeren zum Beispiel, oder Himbeeren, Knoblauchsrauke, Bärlauch, Buchenkeimlinge und Bucheckern, Hopfentriebe oder Mädesüß… Die Liste ist lang. Wenn ich dann schmatzend zwischen den Büschen hocke, höre ich hin und wieder Stimmen, die fragen, ob ich denn nicht befürchten würde, mich über die Früchte mit dem Fuchsbandwurm anzustecken. Füchse leben im Wald, der Kot mit dem Fuchsbandwurm infizierter Tiere kann die Eier des Bandwurms übertragen. Sogar die Jagd auf Füchse wird gelegentlich mit dem Parasiten begründet. Trotzdem mache ich mir keine Sorgen wegen des Bandwurms und lasse es mir schmecken. Warum?

Fuchsbandwurm durch beeren?

Fuchsbandwurm-Infektionen sind furchtbar selten

Den Umgang mit Inzidenzzahlen haben wir inzwischen alle ausgibig geübt und was die Leute im Robert-Koch-Institut beschäftigt, ist 2021 längst Allgemeinbildung. Das RKI veröffentlicht allerdings nicht nur Coronazahlen, sondern unter etwas geringerer Beachtung auch Zahlen zur »Echinokokkose«, also Befall von Menschen mit dem Fuchsbandwurm: Im Jahr 2018 wurde die meldepflichtige Erkrankung in Deutschland insgesamt 139 Mal festgestellt. In 34 Fällen erfolgte die Ansteckung in Deutschland, in 65 Fällen im Ausland und in 40 Fällen gibt es keine Angabe. Das Risiko scheint mir extrem gering.

Füchse leben nicht nur im Wald

Nun kann man natürlich einwenden, dass auch nur wenige Menschen intensiv Waldbeeren essen, und dass das Risiko, sich mit dem Fuchsbandwurm anzustecken, für echte Genießer trotz der geringen Zahlen entsprechend höher sein könnte. Das bringt mich zum nächsten Punkt: Füchse sind Kulturfolger, sie kommen mit der Nähe des Menschen ausgesprochen gut zurecht. Es gibt keinen logischen Grund zu vermuten, dass Waldbeeren stärker oder häufiger belastet wären, als im Freiland kommerziell angebaute Beeren und Gemüsesorten. Wo Füchse vorkommen, kacken sie auch – egal ob auf Wald- oder Zuchterdbeeren. Dass selbst eventuell um die Flächen gebaute Zäune nur mit viel Aufwand ein sicherer Schutz vor Füchsen sind, kann jeder Hühnerhalter bestätigen. Trotzdem erhitzt kaum jemand alle Erdbeeren, Gurken und Kohlrabi vor dem Verzehr, egal ob sie aus dem eigenen Garten stammen, aus der Gärtnerei, dem Hofladen oder aus dem Supermarkt. Ob mit Fuchskot belastete Nahrung überhaupt eine Rolle bei den Ansteckungen spielt, ist umstritten und nicht leicht nachzuvollziehen, weil die Krankheit erst nach Jahren bemerkt wird. Eine wesentlich größere Bedeutung könnten (leider) Haustiere haben.

Hunde als mögliche Infektions-Quellen

Tatsächlich habe ich also ein (innerhalb der geringen Infektionszahlen) vergleichsweise hohes Risiko, den Bandwurm zu bekommen – wegen Akira, meiner Hündin. Hunde sind Füchsen so ähnlich, dass sie – anders als Menschen – kein Fehlwirt für den Fuchsbandwurm sind, sondern als Hauptwirt in Frage kommen. Akira lebt in den gleichen Räumen wie ich, und sie schläft zwar nicht mit im Bett, aber doch immerhin in einem Körbchen im Schlafzimmer. Frisst sie eine erkrankte Maus, infiziert sie sich selbst. Und falls sie Bandwürmer hätte, wären die dann auch ständig dabei.

Für Hundehalter sind das schlechte Nachrichten, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Akira erkrankt, bleibt gering. Wir leben in einem fuchsbandwurmarmen Land, und sie wird unter anderem aus diesem Grund regelmäßig entwurmt. Falls ich aber wirklich etwas unternehmen wollte, um mein individuelles Risiko für eine Echinokokkose zu senken, wäre es sinnvoller, mich von ihr zu trennen, als auf die Beeren zu verzichten. Das Robert Koch Institut fasst es in seinem empfehlenswerten »RKI-Ratgeber zur Echinokokkose« so zusammen:

„ Infektionsgefahr besteht vor allem in Hochendemiegebieten dort, wo unter schlechten hygienischen Bedingungen enge Kontakte mit dem Hauptwirt (Hund) bestehen.“

»RKI-Ratgeber zur Echinokokkose«
Akira vom Ulmenstein, kleiner Münsterländer Jagdhund in Ausbildung ist auf einem Feldweg abgelegt

Zur Sicherheit habe ich vor etwa zwei Jahren im Rahmen einer anderen Blutuntersuchung spontan darum gebeten, auch mal nach dem Fuchsbandwurm zu sehen. Der Test war negativ, und wenn mich jemand braucht, sitze ich weiter mit Akira zwischen irgendwelchen Büschen, bewege mich erst, wenn ich mit dem Arm nichts essbares mehr erreichen kann und freue mich schon, auf die bald reifenden Erd-, Blau-, Him- und Brombeeren.

Diesen Beitrag habe ich zusammen mit vielen anderen in die gesammelten Fragen zum Thema Wild und Wildfleisch aufgenommen.

Quellen:
RKI-Ratgeber zur Echinokokkose

Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018, S.77 ff

Vereinigung der VeterinärparasitologInnen: Fuchsbandwurm beim Menschen: Hund als Risikofaktor