Winterpilze

Austernseitling, Muschelseitling, Samtfußrübling…

Die Pilzsaison ist vorbei, es lebe die Pilzsaison. Auch wenn es im Winter keine Steinpilze und Pfifferlinge mehr gibt, kann man auch in der kalten Jahreszeit noch erfolgreich Pilze finden: besonders spannende Arten wachsen sogar erst, wenn es frostig wird.

Der meiner Meinung nach beste Speisepilz, der Austernseitling, benötigt Temperaturen zwischen zwei und zehn Grad um Fruchtkörper zu bilden. Wer sie finden möchte, muss nicht auf dem Boden, sondern an den Stämmen von Laubbäumen wie Buche, Pappel und Weide suchen – und zwar frühestens jetzt, im November. Der Pilz ist ein »Sapprobiont«, er zersetzt das Holz und benötigen deshalb weder Erde noch Zugang zu den Wurzeln benachbarter Bäume wie Mykorrhizapilze. Die Fruchtkörper wachsen seitlich aus dem Holz heraus, daher auch der Name „Seit-ling“. Alte, geschwächte oder sogar bereits umgestürzte Bäume sind ideal. Ich sammle meistens in sumpfigen Auwäldern mit vielen Weiden und in ungepflegten Privatwäldern mit ungenutzen alten Buchen. An dieser Stelle ergänzen die Jagd und die Leidenschaft fürs Pilze finden sich hervorragend: Diese Gebiete sind auch für das Wild als Tagesversteck interessant, weil es dort nur selten gestört wird. Sein Revier zu kennen und mit offenen Augen durch die Landschaft zu gehen, ist für Sammler genau so essentiell wie für Jäger – nur wer die Ansprüche seiner Beute kennt, kann ihr gezielt nachstellen und ist nicht auf die Hilfe des Zufalls angewiesen. Hat man dann einmal eine gute Sammelstelle gefunden, lohnt es sich, auch in den nächsten Jahren, hin- und wieder vorbeizuschauen.

Verwechseln kann man den Austernsetling kaum. Graue Hüte, übereinander geschichtet wie Dachziegeln mit weit am Stiel herablaufenden weißen Lamellen auf der Unterseite. Der Stielansatz selbst ist filzig und weiß, das unterscheidet den Pilz markant vom (unter Vorbehalt) ebenfalls essbaren, aber herb schmeckenden gelbstieligen Muschelseitling. Andere Verwechslungspartner gibt es kaum, da der Lungenseitling, der ohrförmige Seitling und der seltene rillstielige Seitling eher im Sommer und Herbst zu finden sind. Wichtig ist, dass Pilze die auf dem Boden wachsen niemals (!) Austernseitlinge sind. Außerdem kann man Austernseitlinge oder Austernpilze notfalls als Zuchtpilze auch im Supermarkt bekommen. Die Qualität ist allerdings erheblich schlechter als bei den selbstgefundenen, und Spaß macht das Einkaufen auch keinen …

Hier entlang zu einem Rezept für den Austernseitling.

Die Arbeit an diesem Text wurde gefördert durch das Stipendienprogramm »Neustart Kultur«, vielen Dank an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Verwertungsgesellschaft Wort.