Risiko Rohverzehr – Wildfleisch roh essen? (3 Rezepte)

Drei Rezepte für rohes Reh

Es gehört – scheinbar – zum Wildfleisch-Allgemeinwissen: Vor dem Verzehr muss Wildbret in jedem Fall auf mindestens 70° C Kerntemperatur erhitzt werden. Durchgegart, grau und sicher! So steht es in den meisten Wildkochbüchern, im Internet, in „normalen“ Haushaltskochbüchern sowieso, auch auf der Webseite des Deutschen Jagdverbands. Und wenn es nicht ausdrücklich erwähnt wird, schaffen ganz einfach die in Wildrezepten angegebenen Garzeiten Fakten – drei Stunden bei 180 °C im Backofen lassen wenig Spielraum.

Allerdings kann man Fleisch auch roh genießen. Das klingt ungewöhnlich. Kaum jemand möchte in ein rohes Steak beißen – doch das auch nicht gemeint: Hackepeter oder Zwiebelmett gibt es in Deutschland bei jedem Metzger. Auch geräucherter Schinken, Salami und Knacker werden während des gesamten Herstellungsprozesses nicht erhitzt. International gelten beispielsweise Carpaccio mit gutem Olivenöl und etwas Pecorino oder Tartar mit Kapern und rohem Ei (!) als besonderer Genuss.

Was könnte also dafürsprechen, auch die eigene Beute roh auf den Teller zu bringen? Und was dagegen? Ein frisch parierter Rückenlachs sieht doch buchstäblich zum Anbeißen aus – ist rohes Wild einen Versuch wert?

Wild. Wird. Durchgegart.

»ROH? Viel zu gefährlich! Die Zoonosen!«, kann man an dieser Stelle einwenden. Ganz Unrecht hat man damit nicht: Durch den Verzehr von rohem Fleisch können gesundheitliche Probleme auftreten. Häufig handelt es sich dabei um Durchfallerkrankungen. Ausgelöst werden sie beispielsweise von Bakterien, die vor allem im Magen-Darm-Trakt von Tieren leben und nicht in den Mund von Menschen gehören. Harmlos sind diese Erreger nicht immer, selten können die Krankheiten auch einen schweren Verlauf nehmen. Auch weitere Krankheiten von Tollwut und Tularämie bis Brucellose und Milzbrand können durch Wildtiere und Wildfleisch übertragen werden.

Wild lebt unter unkontrollierten Bedingungen, einen Tierarzt kennt es nicht. Wildbrethygiene ist ein wichtiges Thema, einige Namen haben wir alle im Jungjägerkurs gelernt: Salmonellen und Kolibakterien, Listerien, Staphylokokken, dazu Toxoplasma, Trichinen, Hepatitis-Viren…Wer auf Nummer gehen möchte, muss sein Fleisch durchgaren, die anfangs beschriebenen 70 °C wirken wahre Wunder: bei dieser Temperatur werde die meisten Krankheitserreger buchstäblich totgebraten – das Fleisch allerdings auch. Ein »sicheres« Steak ist grau, zäh und trocken.

Genau an diesem Punkt fängt häufig die Inkonsequenz an: gesundheitliche Bedenken gelten nicht nur für komplett roh verzehrtes Fleisch. Ein „medium“ gegartes Steak mit einem zart rosafarbenen Kern hat eine Kerntemperatur von gerade mal 57–58 °C. Für Sicherheit ist das zu wenig.

Von den gängigen in und auf Fleisch vorkommenden Krankheitserregern werden lediglich E. Coli Bakterien bereits bei Temperaturen ab 46 ° C abgetötet. Salmonellen beispielsweise sind deutlich robuster. Erst eine Temperatur von über 70° C tötet sie zuverlässig, und auch erst nach einigen Minuten. Schlechte Nachrichten für alle, die ein wachsweiches Frühstücksei schätzen.

Ist eingefrorenes Wildfleisch hygienisch unbedenklich?

Auch wenn es immer wieder behauptet wird: Wildbret einzufrieren schützt grundsätzlich nicht, jedenfalls nicht in der »normalen« Gefriertruhe. Lediglich Bandwurmfinnen können so unschädlich gemacht werden, die Aktivität von Bakterien wird lediglich reduziert. Listerien überstehen sogar einen Pökelvorgang, und theoretisch kann durch kontaminiertes Fleisch auch Milzbrand übertragen werden. Für eine Übertragung des Hautmilzbrands kann es bereits ausreichen, einen kleinen Kratzer zu haben und infektiöses Fleisch zu berühren… Genug Horrorgeschichten.

Wer sich gründlich über Lebensmittelhygiene informiert, merkt schnell, wie viel im Alltag falsch gemacht wird – und dass das zum Glück nur selten Folgen hat. Die Vorgaben zur Vermeidung von Kreuzkontamination etwa haben nur die wenigsten Menschen im Bewusstsein. Hand aufs Herz: Wer verwendet beim Grillen getrennte Zangen für rohes und gegartes Fleisch?

Die schlechte Nachricht ist also, dass die meisten Steak-Liebhaber und viele Wild-Fans sich den mit dem Verzehr von nicht vollständig durchgegarten Lebensmitteln verbundenen Risiken bereits mehr oder weniger bewusst aussetzen. Die gute Nachricht ist dafür, dass das Risiko durch den Verzehr von rohem Wild dann auch kaum weiter steigen kann.

Filet eines Rehs wird für die Zubereitung gewürfelt

Ist Wildbrethygiene unwichtig?

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Lebensmittel und im speziellen Wildbret müssen hygienisch verarbeitet werden! Vorschriften sind keine übertriebene Panikmache, sondern sinnvoll. Wenn Lebensmittelvergiftungen selten sind, ist das ein Beleg dafür, dass die Regeln funktionieren, nicht dafür, dass keine Gefahr droht.
Die beschriebenen Krankheitserreger lassen sich nicht wegdiskutieren, und ich möchte sie weder schönreden noch totschweigen. Trotzdem esse ich mein Steak eher blutig als grau, stelle kaltgeräucherten Schinken und Rohwurst her und habe am Ende dieses Beitrags Rezepte für rohes Wild zusammengestellt. Warum mache ich das? Weil es schmeckt, und – mir persönlich – ein gewisses Risiko wert ist.

Bezogen auf Wildbret wird außerdem häufig vergessen, dass Probleme nicht nur bei Wild, sondern auch bei gekauften Produkten auftreten können. Ein nur versehentlich schlampiger Metzger, ein etwas zu lange verpackt gelagerter Salat, das sprichwörtliche faule Ei oder sogar vorsätzlich falsch deklarierte Ware bergen ebenfalls Risiken, und diese liegen nicht einmal in der eigenen Hand. Infektionen sind selten und sie führen im Fall der Fälle bei gesunden Menschen häufig nur zu zwar unangenehmen, aber kurzfristigen Beschwerden.

Bei selbst erlegtem Wild lässt sich das Risiko durch eigenes Handeln verringern: für eventuellen Rohverzehr eignen sich ausschließlich mit sauberem Kammerschuss erlegte Stücke. Sie müssen unter Einhaltung penibler Hygienemaßnahmen aufgebrochen, gewissenhaft beschaut und sauber aus der Decke geschlagen werden (eine „schmutzige“ Hand zieht wo es nicht zu vermeiden ist die Haarseite, berührt dann aber kein Wildbret!). Sie sollten nicht zu lange abhängen und anschließend sauber zerwirkt werden. Persönlich verwende ich für Gerichte mit rohem Fleisch am liebsten Fleisch, das nicht eingefroren wurde: Beim Einfrieren platzen Zellwände, außerdem kann es auch beim Einfrieren und Auftauen zur Keimvermehrung kommen. Erlegen, aufbrechen, abziehen, drei Tage abhängen oder im Vakuum reifen und gut!

Sonderfall Schwarzwild
Als Allesfresser können Wildschweine von Trichinen befallen sein, die vorgeschriebene Trichinenprobe schafft da Sicherheit. Der ebenfalls auf den Menschen übertragbare Dunckersche Muskelegel wird dabei aber höchstens als Zufallsbefund festgestellt – gezielt gesucht wird er bisher allerdings nicht, obwohl er in manchen Gegenden verbreitet ist. Schwarzwild gilt außerdem als Reservoir für Hepatitis E und Yersinien und kann den Schweinebandwurm übertragen. Wildschwein esse ich nicht roh (bzw. höchstens in kaltgeräuchertem Schinken und Rohwurst), deshalb habe ich ausschließlich Rehwild für die folgenden Rezepte verarbeitet.

Rezept für rohes Wild 1:
Kebbeh Nayyeh

Bild zeigt "Kebbeh Nayyeh" ein Gericht aus rohem Fleisch vom Reh

Vorspeise für 4 Personen | 30 Minuten

250 g Hackfleisch aus Rücken oder Filet

50 g Bulgur

½ Frühlingszwiebel

20 Blätter Minze

5 Blätter Basilikum

½ TL Cayennepfeffer

½-1 TL Salz (grob)

½ TL Zaatar (Gewürzmischung)

Olivenöl

Pinienkerne

Evtl. Granatapfelsirup

„Kibbeh Nayyeh“ wird im Libanon, in Palästina und in Syrien gegessen. Verwendet wird dort häufig das Fleisch von Schafen und Ziegen – Rezepte mit dem Fleisch dieser eher mageren Arten lassen sich in der Regel gut auf Rehwild übertragen. Die Mischung aus Bulgur (Weizengrieß) und Fleisch kann auch zu Klopsen geformt und frittiert werden.

Den Bulgur mindestens 10 Minuten mit Wasser bedeckt einweichen, dann absieben und ausdrücken. Das Fleisch sauber parieren und durch eine feine oder mittlere Scheibe des Fleischwolfs drehen. Die Frühlingszwiebel in feine Ringe schneiden, die Minze und den Basilikum fein hacken. Fleisch, Bulgur, Kräuter und Gewürze gründlich verkneten.

Einen sehr flachen Klops formen oder die Masse auf einem Teller oder einem Salatblatt dünn ausstreichen, mit einem Löffel kleine Mulden oder Rinnen hineindrücken und mit reichlich gutem Olivenöl beträufeln. Geröstete Pinienkerne ergänzen den Geschmack. Wer es süßlich mag, kann auch einige Tropfen Granatapfelsirup oder frische Granatapfelkerne über das Fleisch geben.

Rezept für rohes Wild 2:
Tataki

Bild zeigt Tataki, ein gericht mit rohem Fleisch vom Reh

Vorspeise für 4 Personen |

Das Rezept für Tataki stammt aus Japan. Dort wird nicht nur Rind, sondern vor allem Thunfisch auf diese Weise zubereitet. Streng genommen ist das Fleisch nicht vollkommen roh, da es sehr kurz und sehr scharf angebraten wird, ähnlich wie ein »blue rare« gebratenes Steak – unterhalb einer millimeterdünnen Kruste bekommt das Wildbret davon aber nichts mit.

200 g Rehrücken

1 EL hitzebeständiges Öl

3 EL Soja Sauce (Shoyu)

3 EL Mirin oder Sake (Reiswein)

3 EL Reisessig

1 EL Limettensaft

Limettenschale

1 kleine Kohlrabi

Kresse

1 EL Sesam (hell)

Fleur de Sel

Sishimi Tongarashi (Gewürzmischung aus dem Asialaden)

1 EL Ingwer, gemörsert oder sehr fein gewürfelt

Reiswein, Reisessig und Soja Sauce aufkochen, vom Herd nehmen und Limettensaft einrühren. Abkühlen lassen.

Das Öl in einer Pfanne sehr stark erhitzen, das Wildbret kurz (!) von allen Seiten braten, bis es eine Kruste bekommt. Sofort einige Sekunden in kaltes Wasser tauchen um den Garprozess zu stoppen und trocken tupfen.

Das Fleisch mit einem Teil der Sauce bestreichen, in Frischhaltefolie wickeln und mindestens eine Stunde kalt stellen.

Vor dem Servieren die Kohlrabi in sehr feine Stifte schneiden. Das Fleisch so dünn wie möglich aufschneiden und mit Kohlrabistiften, Sesam, Salz und Kresse anrichten. Limettenschale und Ingwer auf den Fleischscheiben verteilen und mit der restlichen Sauce am Tisch individuell abschmecken.

Tipp: Wer es etwas deftiger mag, schneidet eine Knoblauchzehe in sehr dünne Scheiben, frittiert sie in etwas neutralem Öl, bis sie goldbraun sind, und gibt sie ebenfalls zu den Fleischscheiben.

Rezept für rohes Wild 3:
Rehwild-Tartar

Bild zeigt Tartar aus rohem Fleisch vom Reh

Tartar wird in der Regel aus Rindfleisch hergestellt, verwendet wird die Oberschale. Ich habe die winzigen Reh-Filets dafür genommen. Das Fleisch wird noch angefroren von Hand geschnitten, so bleibt die Struktur besser erhalten als bei beim wolfen gequetschtem Hack.

Pro Person:

2 Rehfilets

½ Schalotte (fein gehackt)

1 Sardellenfilet, gehackt

Gewürzgurke, gewürfelt

1 Zweig Petersilie, gehackt

Kapern

1 Eigelb

Salz und Pfeffer

Die noch angefrorenen Filets mit einem Scharfen Messer in sehr feine Würfel schneiden. Schalotte, Gurke, Sardellenfilet und gehackte Petersilie mit dem Fleisch vermengen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Einen Klops formen, auf einem Teller flachdrücken und mit dem Daumen eine Mulde formen. Ein Ei trennen und das Eigelb in die Mitte des Fleischtalers setzen. Mit Kapern garnieren, mit kräftig geröstetem Mischbrot servieren und dazu guten Cognac trinken.