Wie bricht man ein Reh auf?

Ringeln, Waidwundschuss und Organbeschau.

Wer zur Jagd geht und Wild erlegt, kommt um die rote Arbeit nicht herum: Die Beute muss aufgebrochen, ausgenommen, ausgeweidet… werden. Begriffe gibt es viele, Methoden auch, aber jenseits der Feinheiten geht es immer um das Gleiche: Der Körper eines Rehs, eines Wildschweins, Rothirschs, Damkalbs… wird aufgeschnitten und die Innereien wie Darm, Magen (oder Mägen), Herz Lunge und Leber werden entfernt. Für Menschen, die mit Jagen und Schlachten nichts zu tun haben, hört sich das möglicherweise ein bisschen unangenehm oder eklig an – aber das Aufbrechen zu beherrschen, gehört unverzichtbar zum jagdlichen Handwerkszeug. Ich habe in diesem Beitrag einige Hinweise zu den Grundlagen, ein paar Tipps und je ein Video zum „normalen“ Aufbrechen (mit Ringeln) und für den Sonderfall eines unbeabsichtigten Waidwundschusses zusammengestellt.

Ein Reh aufbrechen und Organe beschauen

Diesen Film habe ich schon vor einigen Jahren für die »Pirsch« aufgenommen. Aktuell ist er trotzdem noch immer, ich breche meine Beute bis heute auf diese Art auf.

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Wild mit Waidwundschuss aufbrechen

Ein schlechter Treffer ist ein unangehmer, aber nicht auszuschließender Sonderfall: Das Geschoss durchdringt den Magen-Darm-Trakt, Panseninhalt und Bakterien verteilen sich im Wildkörper. Unter Umständen ist ein solcher Schuss nicht sofort tödlich, das ist ein Katastrophe. Werden aber auch Herz, Lunge und große Blutgefäße zerstört, muss immerhin das Tier nicht leiden – für das Wildfleisch ist ein »weicher Schuss« dennoch alles andere als ideal. Aufbrechen nach dem gewohnten (und erlenten) Schema funktioniert in diesem Fall schlecht. Mit etwas Umsicht kann es gelingen, einen großen Teil des Fleischs zu retten. Keulen und Rücken lassen sich in der Regel ohne Abstriche verwerten, die Schultern häufig auch. Filets, Rippen und Bauchlappen sind aber nach einem solchen Fehler leider oft nur als Hundefutter zu gebrauchen.

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Welches Messer um ein Reh aufzubrechen?

Um herauszufinden, welches Messer für mich ideal zum Aufbrechen ist, habe ich viel (!) ausprobiert: Teure Jagdmesser mit Damastklinge (geliehen), billige Messer mit orangenem Plastikgriff (Werbegeschenk), Messer mit 3cm-Stummelklinge, Messer mit dreh- und wechselbaren Klingen, ein Skalpell… In einer durch Vergesslichkeit selbstverschuldeten Notsituationen, musste sogar Mal ein winziges Opinel aus den Tiefen der Jackentasche herhalten (geht auch).

Rundum zufrieden bin ich mit dem Victorinox Hunter XS.Anzeige Das Klappmesser hat eine »normale« Klinge, eine vorne abgerundete Klinge mit leichtem Wellenschliff und eine Säge. Wenn ich Wild aufbreche, benutze ich alle drei Werkzeuge. Sie in einem Messer vereint zu haben, ist für mich optimal: Die normale Klinge mit Spitze verwende ich für die Schnitte an der Drossel und beim Ringeln. Die Säge nehme ich für den Brustkorb, und den Bauchraum öffne ich mit der abgerundeten Klinge – so ist ausgeschlossen, versehentlich den Pansen/Waidsack zu verletzen. Wer ein etwas größeres Messer haben möchte, kann sich das Schwestermodell Victorinox Hunter XTAnzeige ansehen.

Ein entscheidender Vorteil ist für mich, dass die »normale« Klinge bei beiden Messern sehr schmal und eher filigran gestaltet ist. Das erlaubt präzise, überlegte Schnitte die mit einem dicken Allzweckmesser leichter Mal daneben gehen. Aus dem gleichen Grund säge ich auch das Brustbein lieber präzise auf, als es mit dem Messer und etwas Kraft aufzuhacken oder die Rippenknorpel aufzuhebeln. Nachschärfen lässt sich das Messer problemlos, der Stahl scheint relativ weich zu sein. Die gebogenen Klinge mit Wellenschliff kann ich selbst nicht schleifen, bisher war das aber auch nicht nötig, da ich sie nur für die Bauchdecke verwende. Ein störendes, unnötiges Detail ist der rückseitig angebrachte Korkenzieher: Er sammelt Schmutz und hat für mich keinen Nutzen – wann öffnet man beim Aufbrechen bitte parallel eine Flasche Wein? Ohnehin ist die Reinigung bei einem Klappmesser etwas aufwändiger als bei feststehenden Werkzeugen, dieser kleine Nachteil lässt sich aber verschmerzen.

Das Bild zeigt das Aufbrechmesser Victorinox Hunter XT
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Warum und Wann muss man erlegtes Wild aufbrechen?

Während das Muskelfleisch nach dem Tod des Tieres einige Tage Fleischreifung im Kühlraum benötigt und geschmacklich durch das »Abhängen« gewinnt, sollten die Innereien unverzüglich entnommen werden. Das Wild wird nach dem Erlegen unverzüglich aufgebrochen. Im Magen-Darm-Trakt arbeiten Heerscharen von Bakterien und Mikroorganismen unermüdlich an der Verdauung der aufgenommenen Nahrung – und der Körper ebenso unermüdlich daran, dass sie das nur dort und nirgendwo anders tun. Schon etwa eine halbe Stunde nach dem Tod bricht diese »Darmbarriere« zusammen. Die Bakterien beginnen, auch das das Muskelfleisch außerhalb des Darms besiedeln und zu zersetzen. Es verdirbt. Außerdem geht es auch darum, den »Schweiß«, also das aus der Schussverletzung ausgetretene Blut und eventuelle Verunreinigungen aus dem Wildkörper zu entfernen, da sie einen idealen Nährboden für eventuell vorhandene Keime bieten. Aufgebrochen werden sollte deshalb so schnell wie möglich, im Idealfall schon 30-45 Minuten nach dem Schuss.

Wild-Innereien verwerten?

Nach dem Aufbrechen sind die inneren Organe kein Abfall, und sie müssen auch nicht unbedingt im Hundenapf landen. Selbstverständlich ist es zwar nicht mehr, aber tatsächlich kann auch bei Wild das ganze Tier für den menschlichen Verzehr verarbeitet und zubereitet werden. Leberwurst und gegrilltes Herz eignen sich für Aufbruch-Einsteiger, gebratene Nieren oder Leber mit Zwiebeln und Äpfeln kennen zumindest die Älteren noch, und Wildkräutersalat mit Hoden, Wild-Kutteln oder paniertes Hirn bieten interessante Geschmackserlebnisse abseits des Mainstreams… Eine Auswahl meiner Innereien-Rezepte habe ich hier gesammelt, und auch in meinem Wildkochbuch finden sich Ideen für die »inneren Werte«.

Tipps zum Aufbrechen eines Rehs

Es ist normal, dass sich Jungjägerinnen und Jungjäger bei den ersten Versuchen Wild aufzubrechen noch schwer tun oder sogar Fehler machen, gerade, weil die praktische Arbeit im Jagdkurs recht kurz kommen kann… Mir ging es auch nicht anders! Viele Fehler habe ich selbst gemacht (manche nicht nur einmal), andere sind mir bei Mitjägerinnen und Mitjägern aufgefallen und einige Hinweise zum Aufbrechen habe ich in den letzten Jahren selbst bekommen und übernommen. Vielleicht hilft einer der Punkte in dieser Liste weiter. Auch die neueste Auflage meiner ausführlichen Zerwirkanleitung »Rehwild – vom Lebewesen zum Lebensmittel« enthält jetzt ein eigenes Kapitel zum Aufbrechen eines Rehs.

Ein Reh wird aufgebrochen, also ausgenommen. Zu sehen ist eine Hand, die den Darm aus dem Wildkörper sieht, dazu erklärender Text. Das Bild ist eine Doppelseite aus dem Buch »Rehwild - vom Lebewesen zum lebensmittel«.
Ausschnitt aus »Rehwild – vom Lebewesen zum Lebensmittel«

Schon beim Bergen an das Wildfleisch denken!

Ich breche häufig im Revier auf, und glaube auch nicht, dass das in jedem Fall unsauberer sein muss, als die »rote Arbeit« an der Wildkammer zu verrichten. Ein paar Gedanken zum Transport kann man sich allerdings trotzdem machen: Auf Drückjagden erlebe ich es immer wieder, dass zunächst direkt am Stand aufgebrochen wird. Später muss das erlegte Wild dann zum nächsten Weg gezerrt werden, mit offenem Wildkörper durch Gestrüpp und Pfützen, 300 Meter, immer die Rückegasse entlang… Es ist zwar richtig, dass diese Aufgabe leichter zu bewältigen ist, wenn man das Gewicht des Aufbruchs nicht bewegen muss – aber das Wild sieht leider schnell aus wie Sau.

Wiederkäuer wie Rehwild sollte man zum Transport nicht an den Hinterläufen ziehen. Eben weil diese Arten wiederkäuen, ist der Durchgang vom den Mägen zum Schlund sehr durchlässig. Wird das Wild mit dem Haupt am tiefsten Punkt bewegt, füllt sich der Schlund bis zum Kehlkopf mit vorgekautem Nahrungsbrei – später genügt ein falscher Schnitt, und die grüne Pampe verteilt sich über den Träger. Zieht man stattdessen an den Vorderläufen oder dem Haupt, bleibt der Nahrungsbrei da wo er hingehört – und ein kleiner Fehlschnitt am Kehlkopf später (fast) ohne Folgen.

Hinsehen beim Ausnehmen!

Sehe ich Jungjägerinnen und Jungjäger aufbrechen, folgen sie häufig stur einmal gelernten Anweisungen: „Erst hier schneiden, dann da, dann dort…“. Solche Musterlösungen funktionieren aber nicht immer. Jedes Reh und jeder Schuss sind anders. Um souverän Aufbrechen zu können, benötigt man ein gewisses Verständnis für Anatomie. Um das zu bekommen, hilft es gerade bei den ersten Versuchen, sich viel (!) Zeit zu nehmen und auch mal allein aufzubrechen. Wie ist die Blase mit dem Wildkörper verbunden, wo genau sitzt das Zwerchfell,  wie gelingt es, die Nieren zum Schutz der Filets im Wildkörper zu belassen? Das kann blöde Sprüche geben: »Du sollst aufbrechen, nicht sezieren«… Aber genau darum geht es – wer ein paar Rehe seziert hat, bricht bei allen nachfolgenden zügig und sicher auf.

Wild aufbrechen im Hängen oder im Liegen?

Ob die Beute für die rote Arbeit aufgehängt wird oder auf dem Boden liegt ist nicht so wichtig, beide Methoden haben Vorteile. Wer sich entscheidet, mit liegendem Wild zu arbeiten, sollte aber im letzten Arbeitsschritt den Aufbruch nach vorne, also Richtung Haupt, aus dem Wildkörper ziehen. Wird er in Richtung der Keulen entnommen, besteht die Gefahr, den Schweiß und ggf. Pansen-/Mageninhalt über die Filets und die wertvollen Keulen zu verteilen. Ein winziger übersehener Riss im Pansen, der durch den Zug aufreißt, entwertet schnell eine Menge Wildbret.

»Skandinavisch« aufbrechen?

Als ich die ersten Rehe aufgebrochen habe, wurde mir gezeigt, dass man den Schlund erst leerdrückt, dann durchtrennt, dann oberflächliche Muskelschicht abschabt und in schließlich verknotet, um Schlund und Drossel letzten Endes durch den Schultergürtel in den Brustkorb zu ziehen. Inzwischen halte ich davon wenig: mit dem Kehlkopf ist bereits ein dichter Verschluss des Schlundes vorhanden. Ihn oben direkt an den Kiefern auszulösen ist weniger Aufwand als die beschriebene Knotentechnik (und muss früher oder später ohnehin geschehen). Außerdem verunreinigt man Messer und Hände nicht beim Durchtrennen und Verknoten mit Nahrungsresten. Ich löse Schlund, Drossel, Kehlkopf und Zunge aus und entnehme sie in einem Stück mit dem restlichen Aufbruch. Dafür trenne ich die Decke bis in den Kinnwinkel auf und schneide dann die beiden Unterkieferäste entlang – vorsichtig, denn wenn man den Schlund versehentlich anritzt, tritt Panseninhalt aus. Anschließend lassen sich Zunge, Kehlkopf, Schlund und Luftröhre in einem nach unten zum Brustkorb hin entnehmen. Dort werden sie entweder durch den Schultergürtel in die Kammer gezogen, oder der Brustkorb ebenfalls geöffnet. Wird der Wildkörper beim Aufbrechen vollständig geöffnet, wird das gelegentlich als „skandinavisches/schwedisches Aufbrechen bezeichnet. Der Gegenentwurf wäre es, den Brustkorb und das Becken nicht zu öffnen, das hat z.B. bei der Bergjagd Vorteile, weil der kompaktere, stabilere Wildkörper besser transportiert werden kann.

Kein Wasser beim Aufbrechen?

Ich wasche mein Wild meistens aus, aber ich dusche es nie. Verschmutzungen entferne ich mit dem Messer oder der Knochenschere. Vorhandene Keime werden vom Wasser großflächig verteilt, außerdem sorgt zu viel Feuchtigkeit im Kühlraum schnell für Schimmel in den Fugen oder im Aggregat.Einblutungen, Knochensplitter, Schussfleisch, Deckenreste und Haare… Alle Verunreinigungen werden beim Aufbrechen beseitigt. Wenn nötig, entferne ich dafür auch bei sauberen Schüssen einige Rippen und Teile der Decke. Das sieht nicht schön aus, aber im Kühlraum sieht das niemand. Diese Bereiche bis zum Zerwirken am Wildkörper zu belassen, sorgt für Keimherde und führt im schlimmsten Fall dazu, dass größere Bereiche entfernt werden müssen.

Fleischreifung bei Wild

Das erfolgreich aufgebrochene Wild muss reifen, damit das Wildfleisch zart wird und sein volles Aroma entfaltet. Dafür gibt es neben dem üblichen »Abhängen« auch die Möglichkeit der »Nassreifung« im Vakuumbeutel. . Nassreifung bedeutet, dass das Wild nicht »am Stück« abhängt, sondern unmittelbar nach dem Schuss zerwirkt, zugeschnitten und vakuumiert wird. Das Fleisch reift dann einige Tage gekühlt in den Vakuumbeuteln. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Decke lässt sich bei noch warmem Wild deutlich leichter Lösen, für die Reifung genügt ein normaler Haushaltskühlschrank statt eines teuren Modells mit Umluftkühlung und einige Beutel sind erheblich handlicher als ein ganzes Tier. Für mich kommt hinzu, dass ich mir die ca. 20 Minuten Fahrt zur Kühlzelle spare – bringe ich meine Beute erst dorthin, und hole sie einige Tage später wieder ab, sitze ich insgesamt 80 Minuten im Auto – in dieser Zeit kann ich locker ein Reh zerwirken. Die Grundlagen habe ich hier in einem eigenen Beitrag zusammengefasst.